Aus Fehlern lernen…
Wo ich herkomme, gab es nix zu verlieren, zu erhalten oder zu bewahren.
Zumindest aus dieser Perspektive hatte ich es leicht, denn „weg von“ war die einzige Richtung, die ich kennen musste.
Weg von Kindeswohlgefährdung und Verwahrlosung
und weg von Einsamkeit, Verlorenheit und Schmerz
Weg von den Wurzeln, dem Ursprung und all dem Leid, das dranhängt.
Wohin also rennt ein Mensch, wenn er die Hölle zurücklassen will? Ziellos vermutlich, weil stehenbleiben dem Tod gleicht. Ziellos nach links, nach rechts und vorne, aber nie zurück.
Wer nichts zu verlieren hat, kann nur gewinnen:
Freiheit, Würde, Liebe.
Und was, wenn was es kaum etwas gibt, wovon du wegwillst, weil nix perfekt sein muss, weil nichts perfekt ist?
Was, wenn Abgrenzung vom Ursprung so schwierig ist, weil du einfach so wenig abgrenzenswert findest?
Was, wenn du deine eigene Spur kaum findest, weil du sie irgendwo suchst, während du sie längst fährst?
Klingt nach Luxusproblem. Ist aber keins. Ist das Problem der Kinder von Cyclebreakern. Wir haben also ein neues Problem geschaffen und ich liebe es 😍
Meiner Tochter ging das so. Sie ist 22 und arbeitet in der Kiflü „solange sie Lust hat“. Und nun mag sie sich hier mit einem Post erstmals zeigen.
Ich bewundere ihre Perspektive, Klienten lieben ihre Perspektive, denn sie ist relativierend, vorausschauend und klug.
Und es ist dein Morgen, denn es ist die Perspektive, die das Kind einnehmen wird, um das du dich heute sorgst und für das du dich dir und deiner Geschichte stellst.
Dein Kind 💛
„Liebe Mama,
wie oft hast du mir in den letzten Jahren schon gesagt, ich soll doch mal etwas über meine Sicht der Dinge erzählen. Einfach mal drauf loserzählen als ältestes Kind der Frau, der locker flockige 30.000 Menschen folgen und auf deren Texte als Cyclebreakerin jeder gespannt ist, der sich irgendwie für Beziehung interessiert.
Als wär das so leicht 😀
Es anders machen, wie auch immer, aber Hauptsache anders, als die eigenen Eltern es machen würden, weil man das mit Fug und Recht doof findet – das wär ja noch machbar.
Aber so sehr hinter deinen Werten und deiner Meinung stehen, in denen es für mich so viel Für und so wenig Wider gibt, das ist eine andere Sache!
So sehr möchte ich sein wie du, so groß meine Bewunderung, dass ich ab und zu vergesse, die Dinge auf meine Art zu machen.
Und gleichzeitig ist der Raum, einfach zu sein, wer ich schon bin, manchmal so beängstigend.
Aber immerhin ist er leer und von mir zu befüllen!
Und dafür bin ich unendlich dankbar. Ich weiß um das Geschenk, meine eigenen Probleme haben zu dürfen und nicht deine – mir würde spontan niemand einfallen, der diese Voraussetzungen mitbekommen hat.
So jung schon festgestellt zu haben, dass es keine Herausforderung, kein Gefühl und keine Angst gibt, der ich nicht begegnen kann oder für die ich nicht die entsprechenden Werkzeuge habe, ist die Basis für echtes Selbstvertrauen. Selbstvertrauen, das auf innerer Sicherheit beruht und nicht auf äußeren Umständen.
Ich sehe die Not so groß, wenn ich um mich herumschaue – schon früher unter Jugendlichen, im Teenageralter und heute unter uns jungen Erwachsenen, die irgendwie im Leben gelandet sind und jetzt versuchen, sich darin zurechtzufinden.
Schwierig mit einer Prägung, die ihnen nicht gehört und die ihnen dazu noch in den allerseltensten Fällen bewusst ist.
Dann wird vermieden, die Vermeidung schnell geleugnet und an Symptomen herumgeeiert.
Es wird sich von den schlechten Gefühlen abgelenkt, in die gleichen Fallen 20 mal getappt und dabei immer noch ein Stück mehr Selbstvertrauen verloren, weil der Zugang zu sich so schlecht spürbar ist und die Orientierungslosigkeit so groß.
Dann werden Probleme im Außen angegangen und fehlschlagende Beziehungen zu Familie, Freunden, Partnern und sich selbst auf die Umstände geschoben.
Und all das, um irgendwann, spätestens mit eigenen Kindern, doch feststellen zu müssen: Um die Auseinandersetzung mit mir komme ich doch nicht herum. Das hätte ich auch früher haben können.
Womit ich stattdessen gestartet bin, sind die allerbesten Voraussetzungen für ein Leben, wie ich es mir vorstelle: Lebendig, freudvoll und verletzlich und stark zugleich.
Durch Beziehung zu mir. Hat man nicht einfach, muss man lernen. Beigebracht bekommen. Und das können nur Eltern, die selbst Beziehung zu sich können.
Und auch wenn ich mich manchmal zwischen sechsmonatig wiederkehrenden Umzugskartons, dreibeinigen Katzen, bockigen Zwölfjährigen und der montagmorgendlichen E-Mail-Flut wirklich frage, wieso um alles in der Welt Menschen ausgerechnet meine Mama um Rat bitten, weiß ich es im Kern doch.
Weil es außergewöhnlich ist, andere so glasklar zu erkennen.
Und obwohl das manchmal als Kind gehörig nervt, ist es am Ende doch DAS Geschenk für ein Leben, das uns entspricht.
Und das wünsch ich jedem.“
❤️
Break the cycle.