Gewaltfreie Kindheit beginnt in dir
Gewaltfreie Kindheit ist ein Grundrecht und sie ist weit mehr als die Abwesenheit von körperlichen Übergriffen und emotionaler Ausbeutung.
Für eine nachhaltige und authentische Umsetzung erfordert sie Gewaltfreiheit in und an dir selbst, ansonsten ist sie ein weiteres, zwar wünschenswertes, aber ungeeignetes Erziehungsmittel, das du aufträgst, ohne den Untergrund zu beachten, auf den du es aufträgst.
Gewalt ist per Definition jede rücksichtslos angewandte und in den Folgen schädigende Macht.
Übergehst du deine eigene Wut, deine eigene Bedürftigkeit, deine Not, in bestimmten Situationen für dein Kind anders reagieren zu wollen, aber nicht zuverlässig zu können, übst du Gewalt an dir selbst aus, weil du dich selbst übersiehst, deine Gefühle unterdrückst und versuchst, einem Ideal zu entsprechen.
Auch wenn du dir wünschst, dein Kind würde in diesen Momenten lernen, wie wichtig es und seine Bedürfnisse dir sind, lernt es in diesen Momenten vor allem eins: dass Zuneigung und Liebe es offenbar erforderlich machen, sich selbst zu übergehen, weil der andere wichtiger ist.
Autsch.
Gelingt es dir nun in deinen übermäßigem Anspruch an dich zusätzlich nicht, dich zu kontrollieren und dich zurückzunehmen, fühlst du dich erst recht unfähig oder schuldig und noch mehr unter Druck und du setzt noch mehr Gewalt gegen dich selbst ein. Du musst einfach noch besser funktionieren und dich noch stärker beherrschen, weil du ja weißt, dass dies der richtige Weg wäre, so glaubst du.
Genau dann findet auch zumindest passive Aggression ihren Weg zu deinem Kind: in deinen Worten, deiner Mimik und vor allem deiner innerlich abgewandten Haltung.
Das entspricht nicht dem, was du dir für dein Kind eigentlich wünschst.
Und tatsächlich sollte es auch nicht dem entsprechen, was du dir für dich wünschen darfst.
Nachhaltige und umsetzbare Gewaltfreiheit erfordert Ehrlichkeit gegenüber dir selbst, eine gute Wahrnehmung deiner eigenen Bedürfnisse, die Fähigkeit zur Selbstreflexion und Nachsichtigkeit mit dir selbst.
Es erfordert also all das, was du dir selbst an dir abtrainieren musstest, als dir unfreundlich und gewaltvoll begegnet wurde.
Gewaltfreiheit bedeutet, nun da du das selbst entscheiden kannst, dir keinen Schaden zuzufügen, dich nicht zu geißeln und abzulehnen dafür, dass du nur kannst, was du kannst.
Was bereits alles ist.
Mehr ist nicht zu verteilen, auch nicht mit Anstrengung.
Sonst hättest du das längst getan.
Es wäre also ein guter Anfang, dich selbst nur halb so liebevoll und nachsichtig zu behandeln, wie du dein Kind behandelst und nur annähernd so achtsam mit deinen Bedürfnissen umzugehen wie mit dem Akkustand deines Telefons. Das lässt du ja auch nicht dauerhaft im roten Bereich sein oder verurteilst es dafür, dass es nur begrenzte Akkuleistung hat?
Du darfst nett zu dir sein.
Dein Kind lernt nämlich in jeder Minute eures Zusammenseins und nicht dann, wenn du ihm gerade zeigen möchtest, was es lernen soll.
Es lernt, was du weißt und lebst und nicht, was du dir für es wünschst.
Es lernt an dir über Nähe und Beziehungen und über die Beziehung zu sich selbst vor allem eins:
ob deine Worte mit deinen Handlungen übereinstimmen, ob deine Haltung echt ist und wie Liebe in dir und zu anderen funktioniert und ob es dafür irgendeine Form der Gewalt braucht.
Gewaltfreie Kindheit beginnt nicht in der Beziehung zu deinem Kind.
Sie beginnt in dir.
In jedem Moment.
Heute.
Jetzt.
Break the cycle.