Regeln und Strafen…
Nenn mich naiv, aber mit welchem Recht dürfen Eltern oder Lehrer ein Kind bestrafen?
Wo ist das moralische Okay dazu, aus der Beziehung auszusteigen, subjektive Urteile zu fällen, das Kind mehr oder weniger bewusst klein zu halten und es auf demütigende Weise zu konditionieren, den eigenen Regeln zu folgen?
Wo leben wir denn bitte?
In welchem Zeitalter leben wir denn, dass wir das so sang-und klanglos tolerieren oder befürworten?
Können wir es uns in einem der zivilisiertesten und freiesten Länder der Welt tatsächlich leisten, das eigenwillige Kind zum Problem zu machen, die erwachsene Verantwortung von uns zu weisen und in Kauf zu nehmen, dass das Kind in diese kleine Box, in die wir es mit dieser Demütigung packen, auch all sein Potenzial legt, auf das wir als Gesellschaft so angewiesen sind?
Und können wir es uns leisten, dass (kollektive) Strafen dazu führen, dass die „stillen“ Kinder es erst gar nicht wagen, diese Box zu verlassen?
Wieso müssen wir auch nur eine einzige Sekunde darüber diskutieren, ob überlegene Erwachsene unterlegenen Abhängigen ihre Macht demonstrieren müssen?
Wie kommen wir denn dazu, dieses Gift in der Beziehung zu einem kleinen Menschen zu verteilen, der auf uns angewiesen ist, der nicht abhauen kann, ganz gleich, welche erzieherische Bankrotterklärung wir ihm zumuten und damit seine Seele belasten?
Wie kommt ein Lehrer dazu, Kindern die Pause zu nehmen, weil es ihnen an diesem Tag zu schwer fiel, still zu sein? Hat er wirklich die Hoffnung, das Kind wäre ohne Pause leiser?
🤷🏻♀️
Wie kommen wir zum brutalen Gedanken, Auszeiten zu verhängen, in denen beunruhigte Kinder sich in ihrem Zimmer beruhigen sollen?
Wir kommen wir zu Ausgangssperren, Medienentzug und Strafarbeiten, um unsere Wünsche in diesem kleinen Menschen umzusetzen ?
Haben wir wirklich die Hoffnung der Einsicht oder reicht uns die Kapitulation vor Strafe und die Funktionalität des Kindes?
Überfällst du nicht die nächste Tankstelle weil du Angst vor der Strafe hast oder weil du den Sinn der Regel, Tankstellen nicht zu überfallen, gecheckt hast?
Gah!
Wir stellen also Regeln auf (Legislative), setzen ihre Durchführung um (Exekutive) und fällen das richterliche Urteil (Judikative). Wir sind die gesammelte Macht in einer Person.
Weil wir’s können.
😀
Absurd.
Selbst vor Gericht gilt bis zum Schluss die Unschuldsvermutung und die Schuld (auch wenn es mir schwerfällt, das Wort im Klntext Kind auch nur auszusprechen!) muss zweifelsfrei bewiesen werden, ansonsten lautet die Devise „im Zweifel für den Angeklagten“, wobei selbst der ein Recht auf einen Anwalt hat (welchen hat ein Kind in seiner Klasse und wenn es vor Wut und Ohnmacht kocht?)!
UND: das Vergehen muss vorsätzlich sein um sich strafbar zu machen und damit eine Strafe zu erwirken.
Kinder handeln aber nie vorsätzlich gegen jemanden, die quatschen nämlich höchst selten um dem Lehrer und der Klasse zu schaden, sondern um sich selbst zu nutzen, sie handeln also quasi maximal fahrlässig – weil sie es nicht besser können !
Was gibt uns also das Recht, ihnen nicht dabei zu helfen, das zu lernen, sondern sie mieser zu behandeln, als jeden potentiellen Straftäter und nicht mal ihre Grundrechte zu wahren, außer dass es leicht ist und schon immer so wahr?
Klingt immer absurder, oder?
Sag’s mir. Bitte. Wieso bestrafen wir sie und wieso lassen wir zu, dass andere das tun?
Weil es ja nur Kinder sind?
Weil die irgendwo ganz am Anfang im Besitzdenken stehen, quasi der verlängerte Arm der eigenen Person, ein Aushängeschild, das poliert sein will?
Weil wir zu faul sind, uns Arbeit zu machen und in uns und die Beziehung zu investieren?
Zeit, Nerven, Anstrengung, Liebe wo Wut ist?
Oder weil wir gelernt haben, dass Strafen und die kleine Schwester Belohnung, erfolgversprechende Metboden sind, kleine Menschen auf Spur zu bringen?
Weil wir uns selbst glauben, dass es ihnen nutzt und es keine anderen Wege gibt?
Weil es so schön einfach ist und funktioniert und ja nicht geschadet hat und dieses Kind uns einfach keine andere Wahl lässt?
Nein.
Wir bestrafen, weil wir hilflos sind, das gelernte und durch eigene Strafen tief verinnerlichte Mittel nicht in Frage stellen und weil wir es uns nicht leisten können, den Schmerz, den wir dem Kind damit zufügen zu fühlen. Dabei wäre genau das der erste Schritt.
Dein. Kind. Leidet. Wenn. Es. Bestraft. Wird.
Kinder brauchen keine Strafen, um sich an Regeln zu halten. Sie brauchen Einsicht in die Regel und ihren Nutzen in einem Lebensumfeld, das es ihm ermöglicht, sich die Zustimmung zur Regel leisten zu können.
Kann das Kind es sich nicht leisten, in der Beziehung bleiben zu wollen, müssen wir uns als Erwachsene fragen, wie wir die fehlende Bindung und damit den natürlichen Wunsch folgen zu wollen reparieren können, was im Verantwortungbereich des Erwachsenen liegen würde, nicht aber wie wir das Kind zwingen können, uns folgen zu müssen.
Wir müssten uns mit uns selbst auseinandersetzen, aber diese Fähigkeit zur Inneren Auseinandersetzung haben wir nur allzuoft in der Box gelassen. Direkt neben dem „nicht-zu-viel-fühlen.“
Wir sind mitten in einem Wertewandel der Erziehung, Beziehung, Nicht-Erziehung, wurscht, wie du es nennst.
Strafen sind nicht mehr zeitgemäß.
Sie gehören nicht ins Heute.
Disziplinarische Maßnahmen auf schuldeutsch erzwingen soziale Disziplin.
Um Disziplin zu lernen, braucht ein Kind Erwachsene, die sich ihm zuwenden und die Hürden überwinden, die die Disziplinlosigkeit erst verursacht haben.
Du kannst ein Problem nicht mit dem selben Mittel lösen, mit dem es entstanden ist.
Das Gegenmittel heißt Beziehung und die ist immer gleichwürdig.
Das erkennst du daran, dass du deinem Partner am Abend ja auch nicht das Habdy entziehen würdest, wenn er heute nicht tat, was du dir gewünscht und worum du gebeten hast, er sich mal wieder mit seinem Chef gestritten hat oder dir gegenüber heute einfach nicht die passende Tonlage gefunden hat.
Neue Ziele und Werte erreichen wir nicht durch überholte Methoden.
Neue Methoden funktionieren nicht bei überholten Werten.
Lass dein Kind dieses Dilemma nicht ausbaden.
Wo Liebe zum Menschen wirkt, kann niemals Strafe sein.
Du kannst das besser.
Und du darfst das einfordern!
In jedem Kindergarten, in jeder Klasse und von dir selbst.
Dazu musst du nur eins.
Fühlen.
Dich.
Und dann dein Kind.
Kannst du.
❤️
Break the cycle.