Was dich wirklich anstrengt
Letztens habe ich einen Artikel gelesen, in dem es um mutlose junge Mädchen ging. Fast erwachsen und ein paar Schritte vor dem Schritt ins Leben, trauen sie sich die Welt mit ihren Ansprüchen nicht so recht zu.
So der Experte, in dessen Praxis offenbar viele dieser Mädchen landeten und er hatte auch eine Erklärung für dieses „Phänomen“ unserer Zeit.
Er führt dies nämlich zurück auf die Rolle der Mutter dieser Mädchen, die unter der Doppelbelastung aus Arbeit und Familie stets am Rande ihrer Belastbarkeit lebten. Diese Mütter rieben sich auf, um Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen und dies entmutige deren Töchter, dieser Herausforderung gewachsen zu sein.
Es handele sich also um eine der vielen Herausforderungen unserer Zeit, mit der die Mädchen umzugehen lernen.
Werden.
Müssen.
Oder sie stellen dieses Modell für sich infrage und wählen ein anderes. Ungefähr so sind die Möglichkeiten für mutlose Mädchen, weil ihre Mutter arbeiten und Kinder haben möchte.
Dann rauf ich mir mal wieder die Haare.
Ungefähr so weit denken wir nämlich als Gesellschaft
immer!
Wir erkennen ein Symptom oder Problem (mutlose Mädchengeneration), identifizieren einen Auslöser (Lebensrealität Doppelbelastung) und ziehen dann einen Schluss, den ich nicht nachvollziehen kann, selbst wenn ich mich anstrenge: wir behaupten, dass die Lösung darin liege, sich mit dem Auslöser zu arrangieren: adaptieren oder ablehnen oder wenn’s ganz gut läuft: bessere Voraussetzungen einfordern, um mit dem Auslöser zu leben oder Auslöser gleich ganz abschaffen.
Auslöser, Auslöser, Auslöser.
Wir ziehen NICHT den Schluss, die Ursache für den Auslöser oder die Ursache für das Symptom zu identifizieren, damit sich das Problem in Luft auflösen kann.
Wir sind einfach zufrieden mit Arrangements mit Auslösern:
🤷♀️Das Kind erzeugt Ablehnung in seiner Schulklasse und beim Lehrer? Wir wirken mit sich steigernden Maßnahmen dahingehend auf das Kind ein, sich anzupassen. Wir machen uns nicht die Mühe, herauszufinden, welchen guten Grund das Kind hat, nicht dazugehören zu wollen.
🤷♀️Menschen lehnen die Impfempfehlung ab? Wir bestechen sie mit Würstchen, anstatt uns die Gründe dafür anzuschauen, wieso ihre einzige Freiheit darin besteht, gegen etwas sein zu können.
🤷♀️Das Kind hat Ängste, die ihm das Leben verengen? Wir versuchen das Kind davon zu überzeugen, sich „trotzdem“ zu trauen und seine Ängste zu überwinden. Wir machen uns nicht die Mühe, zu erfahren, wieso das Kind sich etwas nicht zutraut und wovor es sich mit seinen Ängsten schützen möchte.
🤷♀️Mütter brechen unter ihrer Doppelbelastung zusammen und erzeugen damit mutlose Mädchen. Wir versuchen Töchter zu stärken, damit sie sich mehr zutrauen, anstatt zu hinterfragen, wieso wir glauben müssen, alles schaffen zu müssen, den Laden zusammenzuhalten und allen und allem gerecht zu werden.
Nicht was du tust, strengt dich übermäßig an, sondern dass du glaubst, funktionieren zu müssen erschöpft dich.
Nicht dass du auch mal funktionieren musst, ist erschöpfend, sondern die Abwehr dessen, was du fürchtest, wenn du nicht mehr funktionierst, kostet deine Kraft.
Nicht was du tust, ist anstrengend, sondern die Kraft, die du dafür aufwenden musst, nicht zu fühlen, was passieren könnte, wenn es dir mal nicht mehr gelingt.
Deine Tochter (und ehrlich gesagt auch die Söhne!) ist dir in einer Sache voraus: sie spürt sich besser als du.
Das macht das Funktionieren schwieriger.
Glückwunsch also.
Dein Kind muss also nicht lernen, sich mehr zuzutrauen, sondern du musst dir zutrauen, weniger abzuliefern.
Jetzt musst du nur noch lernen, mehr zu fühlen, damit du weniger funktionierst und deine Tochter hat ein neues Rollenmodell.
Eins, das Schwäche und Stärke vereint.
Eins, das Funktionalität nicht über Selbstempathie stellt.
Eins, das beides kann: fühlen und leisten.
Wo sollen da noch mutlose Mädchen herkommen?
💛
Break the cycle.