Sorg dich lieber um deine Sorge
Gehörst du auch zur Fraktion Sorge?
Sorge, dein Kind könne in der Schule scheitern?
Sorge, dein Kind könne im Leben nicht zurecht kommen?
Sorge, dein Kind könnte ausgegrenzt oder abgelehnt werden?
Sorge, dein Kind strengt sich nicht genug an, erkennt den Ernst nicht, begreift nicht, was passieren kann?
Sorge, das Leben deines Kindes könnte nicht so glücklich sein wie du es ihm wünschen würdest?
Sorge. Sorge. Sorge.
Der Duden definiert Sorge als „durch eine unangenehme, schwierige, gefahrvolle Situation hervorgerufene quälende Gedanken, die ein bedrückendes Gefühl der Unruhe und Angst“ hervorrufen.
Wow.
Ich bin sehr sicher, dein Kind will das nicht.
Ich bin sicher, es möchte mit seinen Handlungen nicht der Verursacher für deine Angst sein. Es möchte sehr sicher überhaupt nicht in die gefühlte Verantwortung geraten, dich zu „quälen“, wenn es mal keine Lust auf Hausaufgaben hat oder wenn es seit drei Tagen schlechte Laune hat oder wenn es die zweite Mathearbeit in Folge vergeigt.
Ich bin sehr sicher, dein Kind möchte grundsätzlich und überhaupt gar nicht, dass deine Gedanken und Ängste in Verbindung mit seinen Entscheidungen stehen und dich „quälen“.
Denn das quält es.
Dabei scheint Sorge ja so niedlich und beinahe ein Ausdruck der Fürsorge, während Sorge tatsächlich nur die kleine Schwester der Angst ist: die sozial anerkannte Form der Überbehütung, die dir vorgaukelt, dass du es ja nur gut meinst.
Ja, du meinst es gut.
Aber du meinst es nicht gut weil du dich sorgst, sondern trotzdem.
Es herrscht die Illusion, es würde weniger Unerwünschtes eintreten, nur weil du dich sorgst oder als sei die Abwesenheit von Sorge ein Mangel an Fürsorge.
Nix davon ist wahr.
Sorge ist Zweckentfremdung deiner Vorstellungskraft
Sie hat übrigens den gleichen Effekt auf deinen Körper, als sei das, worum du dich sorgst bereits eingetreten. Es entsteht nahezu der selbe Stresshormoncocktail in dir, der dich auf Kampf oder Flucht vorbereitet, der entstehen würde, wenn die Situation, die du befürchtest, tatsächlich eintreten würde, weil dein Körper nicht unterscheiden kann, ob du „nur“ denkst oder ob die Sache in deinem Kopf real stattfindet.
Für deinen Körper ist real, was du denkst und für dein Kind wird real wovor du Angst hast.
Mit deiner Sorge formst du seine Welt, womit real werden kann, was zuvor nur deine Befürchtung war.
Wir sehen das bei unseren Klienten ständig.
Dein Kind braucht deine Sorge nicht, sondern die Freiheit, eigene Fehler zu machen und nebenbei bleiben ohnehin all die Gefahren des Lebens bestehen -ob du dich sorgst oder nicht.
Die Frage ist lediglich, ob du dein Kind mit oder ohne deine Sorge ins Leben schickst und damit ohne oder mit Vertrauen in seine und deine Fähigkeiten.
Sorge ist für dein Kind auf Dauer nämlich fehlendes Vertrauen und das stärkt es nicht, sondern schwächt es und das ist ganz sicher das Gegenteil dessen, was du damit ursprünglich erreichen wolltest.
Du wolltest es ja schützen mit deiner Sorge.
Sorge ist aber gar kein geeignetes Mittel um dein Kind zu schützen weil sie durch die Hintertür schwächt, beengt und Vertrauen kostet.
Dich nicht zu sorgen, bedeutet also nicht zwingend Gleichgültigkeit, sondern Vertrauen.
Vertrauen bedeutet nicht, dass immer alles gut ausgeht, sondern dass dein Kind damit umgehen kann, wenn es nicht gut ausgeht.
Dein Kind braucht also dein Vertrauen darauf, dass es alles in sich trägt, um jedem Sturm gewachsen zu sein und dein Vertrauen in dich, ihm alles mitgegeben zu haben, was es dazu benötigt.
Vertrauen ist Liebe.
Liebe ist das Gegenteil von Angst.
Nenn deine Sorge beim Namen und behalt deine Angst und du wirst feststellen, dass du deinem Kind mehr zutraust, als deine Angst dir erlaubt, denn Angst haben wir alle.
Die Frage ist doch, tun wir das, wovor wir uns so fürchten, mit Angst, zur Not auch trotz der Angst.
Anstatt dich um dein Kind zu sorgen, sorg dich also lieber darum, dass du nicht unterscheiden kannst, ob du Grund zur Sorge hast, weil eine Gefahr real ist oder ob du das nur befürchtest, weil du eine Gefahr für real hältst.
Und dann sorg sich darum, dass du dich immerzu sorgst.
Sorg dich doch heute mal um deine Sorge:
- Verändre heute etwas, wovor du dich scheust.
- Tu etwas, bei dem du scheitern kannst.
- Hol dir eine Runde Ablehnung ab.
- Riskiere Zugehörigkeit indem du zu dir stehst und find raus, wie du dich dabei fühlst.
- Starte etwas Neues, ohne zu wissen, ob es dich trägt.
- Mach nen dicken fetten FEHLER und setz einen drauf: freu dich drüber.
- Gesteh anderen Fehler zu.
- Lach deine Sorge aus und park sie in der letzten Reihe deiner Gedanken. Wenn du Glück hast, wartet sie nicht auf dich.
Du hast die Wahl.
Break the cycle.