Traumatisiert Schule mein Kind
In letzter Zeit erreichen mich viele Anfragen zu meinem neuen Buch, dessen Manuskript zum Teil in der Schublade liegt. Der Arbeitstitel lautet „Traumatisiert Schule mein Kind?“ und ich muss dir sagen, ich hab keine Lust mehr.
Nicht keine Lust mehr auf das Buch und nicht darauf, es zu schreiben oder es zu veröffentlichen, sondern keine Lust mehr auf das Thema.
Denn das Thema macht mich WAHNSINNIG.
Wirklich und aus ganzem Herzen muss ich mich bemühen, meine Sinne nicht zu täuschen, wenn Menschen mir erzählen, dass das alles doch gar nicht so schlimm sei.
Nicht so schlimm, dass Beschämung als Instrument eingesetzt wird, die Entscheidungen des Kindes zu steuern. Oder was passiert, wenn ein Schüler vor 25 anderen Schülern für ein Fehlverhalten zur Rechenschaft gezogen wird und dann mit „Konsequenzen“ zu rechnen hat? Wie sehr würde ein erwachsener Arbeitnehmer es noch als Demütigung empfinden, öffentlich und vor seinen Kollegen für seine Fehler beschämt zu werden? Auch wenn Schule schon effektiv auf diese Situationen vorbereitet hat?
Nicht so schlimm, das anliegende Schreiben der Direktorin einer sächsischen Grundschule an ihre Schüler, in so liebevollem, warmherzigen Ton, der so gar nicht zur Verbissenheit passt, mit der sie sich zähneknirschend Leistung, Wettbewerb, Anstrengung und fröhliche Kinder „wünscht“ und das sehr genau widerspiegelt, welcher überlegenen Manipulation und wahnwitzigen Leistungsorientierung Kinder täglich so ausgesetzt sind.
Nicht so schlimm, dass mit Belohnung und Bestrafung per Zuckerbrot und Peitsche dafür gesorgt wird, dass das Kind lernt, welches gewünschte Verhalten es zeigen und welch unerwünschtes Verhalten es unterlassen soll. Oder was passiert mit der so wertvollen intrinsischen Motivation, wenn die extrinsische Motivation der gesellschaftliche Maßstab ist und viele kleine people pleaser erzeugt?
Nicht so schlimm, dass mit der kindlichen Angst vor Ablehnung und fehlender Zugehörigkeit zur Gruppe gespielt wird? Oder was passiert, wenn es ausgeschlossen oder dies angedroht wird? Wenn es sich den mächtigen Auswirkungen der Instrumente, seine Gefühle und damit sein Verhalten zu kontrollieren und es sich dem Abliefern, der Beschämung und dem Leistungswahn entzieht, weil es dem Druck nicht standhält und lieber in Kauf nimmt, „anzuecken“?
Nicht so schlimm alles, diese Schule in 2024 oder was?
Wenn wir nur alle so tun, als sei es ein Fortschritt, dass uns niemand mehr am Ohrläppchen vom Stuhl zieht, Schlüsselbunde nach uns wirft oder, wie in manchen Ländern noch üblich, körperlich gezüchtigt wird, dann ist das alles nicht so schlimm?
Wenn wir einfach nicht sehen, welche vernichtenden und langfristigen Auswirkungen auf die Persönlichkeitsentwicklung des Kindes diese Erziehungsinstrumente durch die Hintertür haben, dann ist schon alles nicht so schlimm?
Wenn wir nur weiter gefühlsschwach bleiben für die eigenen Verletzungen, dann ist das alles nicht so schlimm oder?
Doch ist es.
Schlimm, wenn du`s nicht merkst.
Schlimm für dich und dein Kind und eine ganze Gesellschaft.
Also bitte, zwick dich mal.
Schau mal genauer hin.
Erkenn mal, dass Gewalt viele Gesichter hat.
Erkenn die double binds, die Manipulation, das Machtgefälle, das nur noch beim Militär Berechtigung hätte, erkenn sogar Gaslighting und erkenn selbst das Future Faking mit dem du als Elternteil bei der Stange gehalten wirst, denn ohne erfolgreichen Schulbesuch kein erfolgreiches Leben, nicht wahr?
Und dann erkenn, dass die Kinder es erkennen.
Erkenn, dass sie dann keine andere Wahl haben, als es zu verkennen oder „negativ aufzufallen“.
Nicht so schlimm, hm?
Break the cycle.
Diesen und weitere Texte findest du im kostenlosen Kinderflüsterei Magazin „Pure“, das jeweils am 20. eines Monats in deinem Postfach landet- wenn du es abonniert hast