Toxische Positivität
Es gibt so herrlich viele und wunderbar wohltuende Vermeidungsstrategien, mit denen du dir weiter vormachen kannst, dass dein Leben okay und alles gar nicht so schlimm ist oder war.
Horoskope, Energiearbeit, Human Design und was sich da noch so alles findet hinter Licht und Liebe, ja sogar Intellektualisierung schützt vor Dunkelheit und Schmerz.
Diese Strategien duften alle so herrlich, sie wärmen dich wo es kalt sein könnte und sie glitzern in tausend Farben. Sie sorgen dafür, dass am Ende alles bleibt, wie es ist, nur damit du dich ein bisschen sicherer fühlen kannst, während du dir selber glauben kannst, dass du ja irgendwie „an deinen Themen arbeitest“.
Es fasziniert mich, wie die Psyche immer wieder dafür sorgt, das eigene System im Deckmäntelchen der Veränderung vor der gefährlichen Veränderung zu schützen.
Versteh mich nicht falsch: mich unterhalten Horoskope auch (vor allem das Jahreshoroskop der Brigitte ), Human Design ist ein bisschen faszinierend und wenn wir aus Energie bestehen, dann kann man das auch alles für sich nutzen und das ist sicher auch wirksam, aber wenn du unter Irren aufgewachsen bist, du nie wirklich Kind sein durftest, alleine und nie gut genug warst oder wenn du irgendeine Form des Übergriffs erfahren hast- dann nutzt dir das alles nix.
Dann kommst du nicht umhin, Sch*** zu nennen und zu fühlen, was sch*** ist oder war.
Dann kannst du so lange Glitzer auf die Sch*** streuen bis es funkelt- es bleibt trotzdem sch***
Positives Denken und jede Art der Ressourcenarbeit haben totale Berechtigung, wenn sie nicht als Mittel der Vermeidung von Schmerz dienen.
Die eigenen Gedanken einigermaßen im Griff zu haben, bedeutet nicht, keine unangenehmen Gefühle mehr zu haben. Es bedeutet die Wahl zu haben darüber, was du denkst und wie du dich dadurch fühlst.
Positives Denken und all das Zeug ist also ein Werkzeug und du wählst, wie du es einsetzt.
Du kannst es nutzen, um schwierige Situationen zu bewältigen oder um eine generell optimistische und dankbare Haltung zum Leben zu entwickeln, die dir nutzt, weil sie von Freude und Vertrauen getragen ist.
Du kannst dieses Werkzeug aber auch nutzen, um dich zu belügen und das Unangenehme zu vermeiden.
Du reinigst und pflegst deine Haut ja auch und vertraust nicht darauf, dass das passende Makeup schon dafür sorgen wird, dass du dir diese Mühe, dich zu pflegen und dich um Unreinheiten zu kümmern, nicht machen musst, oder?
In anderen Worten: die Kraft des Positiven Denkens entfaltet sich dann maximal und ganz und gar in deinem Sinne, wenn du es nicht mehr brauchst, das Unangenehme, das Belastende, das scheinbar Unaushaltbare zu vermeiden.
Glitzer glitzert mehr auf reinem Untergrund.
Dein Kind erlebt dich authentischer, wenn du nicht darauf angewiesen bist, dich selbst in die Irre zu führen.
Es lebt sich leichter, wenn es nicht gut sein muss, sondern gut ist.
Break the cycle.