Ran an die Ohnmacht
Für dein Kind bist du so groß und mächtig.
Ist dir das klar?
Entscheidungsmächtig.
Du kannst entscheiden, wie dein Kind aufwächst, welche Werte und Regeln gelten und wie wichtig ihm Schule, Anstrengung oder Höflichkeit zu sein haben.
Du entscheidest, ob es am Tisch rummatschen darf, ob es das Gemüse probiert oder seinen Teller wegräumen muss.
Du entscheidest, wie lange es draußen bleiben und mit wem es gar nicht erst losziehen darf.
Du entscheidest, welches Programm es wann schauen darf und wann der Schokoriegel zu viel ist.
Du entscheidest, was dein Kind über das Leben lernt, weil du darüber entscheidest, was du glaubst.
Egal ob du wenige oder viele dieser Entscheidungen triffst-
Du hast Macht.
Über dein Kind.
Du musst sie also gar nicht ausüben, um sie zu haben.
Es muss gar nicht gut oder schlecht sein, sie zu haben.
Sie ist da.
Du hast sie.
Dein Kind weiß das.
Und man hatte Macht über dich.
Über dich wurde entschieden.
Es wurde entschieden, wann du was tust und wann du was lässt.
Es wurde entschieden, ob du das eine darfst und für das andere bestraft wirst.
Es wurde entschieden, ob etwas gut für dich ist oder etwas anderes dir schadet.
Es wurde für dich entschieden, welchen Pullover du trägst und welche Oma du wie du begrüßen hast.
Du wurdest entschieden, den lieben langen Tag und dieses Gefühl der Fremdbestimmung wirkt vermutlich heute noch dir fort.
Und ganz gleich, wie frei du dein Kind erziehst, es wird entschieden, in 187 Gelegenheiten am Tag.
Kein Wunder also, dass gleichzeitig Macht und Ohnmacht in dir wohnen.
Kein Wunder also, dass immer dann, wenn wir uns ausgeliefert und hilflos fühlen, wir uns in unsere Handlungsmacht zurückbegeben möchten. So tickt der Mensch.
Ohnmacht ist einer der Zustände, die uns in unserer Arbeit am häufigsten begegnen und die am allerschlechtesten auszuhalten sind.
Klar, oder? Wer möchte sich schon einer Situation, einem Menschen, einem Umstand, der eigenen Reaktion hilflos ausgeliefert fühlen?
Und wer möchte schon zu Machtmitteln greifen, um sich Gehör zu verschaffen?
Tatsächlich sitzt genau an dieser Stelle die Möglichkeit zur Veränderung und wartet darauf, dass du sie umsetzt- allerdings musst du dazu andere Mittel einsetzen als bisher, ansonsten kannst du ja kein anderes Ergebnis erwarten.
Ohnmacht löst du also nur kurzfristig, indem du dich bemächtigst.
Danach fühlst du dich schuldig.
Wut wirst du nicht los, indem du wütest.
Danach fühlst du dich schuldig.
Macht ist dann wunderbar, wenn du sie nicht an deinem Gegenüber ausübst, sondern für dich nutzt – um darüber zu entscheiden, was du denkst und fühlst, denn es sind deine Gedanken und Gefühle, die dich handeln lassen.
Falls du dich also auch ganz oft gefangen in deinen Reaktionen fühlst, gefangen in den immer wiederkehrenden, selben Situationen, die dich anstrengen, dann schimpfst du vielleicht.
Oder meckerst rum um dir Luft zu machen.
Oder schreist oder wirst unfair.
Und dann tuts dir leid.
Oder du ärgerst dich über dich selbst oder hast ein unfassbar schlechtes Gewissen.
Du weißt ja, dass es anders geht.
Du weißt theoretisch auch genau wie du es besser machen könntest.
Und dann tut’s dir wieder leid.
Und nimmst es dir wieder vor.
Das liegt daran, dass du die Ursache nicht behebst.
Kann also nicht besser werden.
Die Ursache ist alt.
Gespeicherte Ohnmacht.
Du darfst also weder diese alte Ohnmacht mit deiner Ohnmacht gegenüber deinem Kind verwechseln, noch darfst du sie loswerden, indem du dich bemächtigst.
Trenn die Filme.
Du musst Macht gegenüber deinem Kind überhaupt weder ausüben, noch vermeiden- sie ist ja sowieso da und dein Kind weiß das.
Du darfst Macht also weder nutzen, um dich von deiner Ohnmacht, Hilflosigkeit, Traurigkeit (setze beliebig ein, wozu du sie missbrauchst) zu befreien, noch darfst du sie liegenlassen und deinem Kind die heiße Kartoffel zuschieben, weil sie dir zu viel Angst macht.
Das Machtgefälle zwischen dir und deinem Kind ist natürlich, unspektakulär und wird nur dann zum Problem, wenn du selbst unter ihm gelitten hast.
Im besten Fall merken du und dein Kind im Alltag nämlich nicht mal, dass es dieses Gefälle überhaupt gibt.
Weil die Verantwortung für deine Gefühle, deine Grenzen, deine Bedürfnisse und Sehnsüchte bei dir liegt und dein Kind das weiß.
Weshalb es dir vertraut und deine Überlegenheit und Macht es nicht entmächtigen, sondern völlig kalt lassen.
Ran an die Ohnmacht.
Break the cycle.
Du willst die Ohnmacht in der Beziehung zu deinem Kind endlich und nachhaltig loswerden? Prima. Das ist es, was wir als Kinderflüsterei tagein, tagaus tun. Mehr Infos: https://kinderfluesterei.de/erleben/