Du bist genug…
Wir sind ja eine sehr besondere Generation Eltern.
Ich nenne sie gern Cyclebreaker, weil sie in der außergewöhnlichen Rolle sind, den Mist der vorherigen Generationen nicht zu wiederholen, aber gleichzeitig über quasi null Mittel und Vorbilder verfügen, Neues im Umgang mit ihren Kindern zu etablieren. Wir wissen was wir nicht wollen, können aber das, was wir wollen, nur mühsam und im trial-and-error-Verfahren etablieren.
Wir haben nichts als gute Wünsche für unsere Kinder, die Bereitschaft zum Reflektieren und Mentalisieren, eine Menge Mut und Entschlossenheit, alte Muster zu lösen und wir haben einen Ozean voller Liebe für unsere Kinder.
Vor allem aber haben wir diesen klitzekleinen Zugang in uns selbst. In den Teil, der erinnert, wie gut es sich anfühlt, wir selbst sein zu können und wie mühsam die Suche danach manchmal sein kann und wie schmerzhaft sie oft genug war. Den Zugang, der dafür sorgt, bestimmte Erfahrungen im Umgang mit dem eigenen Kind nicht wiederholen zu wollen.
Und eigentlich ist das völlig ausreichend.
Eigentlich könntest du dich an dieser Stelle zurücklehnen, dein Bestes geben und aus deinen Fehlern lernen.
Du könntest immer schön reflektieren, die Verantwortung für die Beziehung und für deine Gefühle bei dir halten und darauf vertrauen, dass ihr ein langes Leben lang gemeinsam aneinander wachsen werdet.
Könntest du.
Wenn für dich nur nicht so viel daran hängen würde, es „richtig“ zu machen und deinem Kind allerbeste Voraussetzungen zu schaffen, sich zu dem Menschen zu entwickeln, der es ist.
Du wünschst dir so sehr, dass es sich niemals schuldig, ungenügend und zu viel oder zu wenig fühlt, dass du dich dabei beinahe selbst ausbremst, es genau darin zu begleiten.
Du fürchtest so sehr, es könne sich auf dem Weg mit dir verlieren oder alleine fühlen, sich schutzlos erleben oder verloren, dass du deine innere Orientierung verlierst, die dir ganz genau verraten würde, was die Route ist.
Du hast derart große Angst davor, dein Kind müsse all das erleben und fühlen, was du selbst als so unerträglich erfahren und worunter du gelitten und was du bis heute kaum verkraftet hast, dass du alles daran setzt, dass deinem Kind das niemals widerfährt.
Dein Kind möchtest du vor deinem erlebten Schmerz beschützen.
Und genau an dieser Stelle wird das Familienleben kompliziert, weil du nun drei Möglichkeiten hast
:
1. Du nutzt diese Tatsache als Antrieb, als dein Benzin dafür, andere Wege in der Begleitung deines Kindes zu gehen und sie durchzuhalten, während viele Menschen um dich herum traditionelle Wege wählen werden. Du setzt dich mit den Ursachen in dir auseinander, die zum Verhalten deines Kindes führen, weil du um die Kausalität aus Deinen Erfahrungen, deiner daraus entwickelten Haltung und dem Verhalten deines Kkndes weißt und diese Verantwortung übernimmst. Dabei gibst du dein Bestes und bist ausdrücklich bereit Fehler zu machen, weil du dir und deinem Kind zutraust, daran zu wachsen.
Deine vor langer Zeit erworbenen Schuldgefühle bestimmen also nicht eure Beziehung.
2. Diese Tatsache lähmt dich, du bleibst in der Abwehr stecken und lässt die Verantwortung liegen, weil die Schuldgefühle dich ausbremsen und du dich nicht in der Lage siehst, dich ihnen zu stellen.
Eure Beziehung gestaltet sich schwierig und deinen Alltag erlebst du oft als mühsam und voller Kampf.
3. Und das ist ein sehr häufiger Weg: Du wählst eine Kombination aus 1 und 2, weil dein Antrieb riesig ist und deine Schuldgefühle ebenfalls.
Dabei vergisst du leider, dass Schuld und Schuldgefühle nicht das selbe sind und leidest wahnsinnig auf diesem Weg, eine cyclebreaker für dein Kind zu sein. Du reibst dich dabei auf, zu reflektieren und Bewusstsein in dir zu schaffen und es scheint, dass mir jeder neuen Erkenntnis dein Schuldgefühl wächst, dich deinem Kind überhaupt zumuten zu müssen. Dass es derart unter dir und deinen Themen leiden muss, macht dich wahnsinnig, weil du den Ausgang nicht findest.
Mal in klarem Klartext:
Wenn du glaubst, dich deinem Kind als Person mit deinen Erfahrungen und Themen nicht zumuten zu können und du glaubst, seiner Entwicklung durch deine bloße Existenz Schaden zufügen zu können – dann erlebst du DICH (oder deinen Partner, deine Partnerin) als eine Gefahr für dein Kind.
Du leidest dann darunter, dass du dein Kind nicht vor dir schützen kannst, weil du dir weder ausweichen, noch deine Themen in Lichtgeschwindigkeit auflösen kannst.
Wie soll das gehen?
Was soll dabei herauskommen?
Wie willst du damit leben, dass du eine Gefahr für die Entwicklung deines Kindes bist?
Was lernt dein Kind, wenn sich der sicherste und nächste Mensch in seinem Leben für eine Gefahr hält, weil er ist wer er ist und erfahren hat, was er nun mal erfahren hat?
Wie soll seine Welt dann sicher sein?
Wie soll dann sein, was du dir eigentlich für dein Kind gewünscht hast?
Nähe, Schutz, es selbst?
Ich erlebe dauernd, dass bewusste und reflektierte Eltern sich in den eigenen Schuldgefühlen verlieren, während sie versuchen, zu genügen.
Dabei gibt es nur einen Ausweg:
Du darfst dir glauben,, dass du schon genug bist für dein Kind.
Du darfst akzeptieren, dass du Fehler machen wirst. Große und kleine.
Du darfst dir erlauben, aus ihnen zu lernen und an ihnen zu wachsen.
Du wirst feststellen, dass nichts auseinanderbricht und schon gar nicht eure Beziehung, selbst dann, wenn du so richtig verkackst.
Du wirst entdecken, dass Nähe dort entsteht, wo ihr beide zu euch und eurer Unzulänglichkeit steht, weil du dich nicht mehr verstecken musst hinter dem Bild, das du so gern von dir hättest oder hinter den Schuldgefühlen, diesem Bild niemals gerecht werden.
Du wirst Schätze sammeln, wenn du stets gibst, was du zur Verfügung hast, selbst dann, wenn das gerade mal nichts ist, weil du gerade nichts weißt und gerade nichts kannst und morgen wieder danach suchst.
Dein Kind hält dich aus.
Es hat ein Recht auf die Perlen, die es in euren Problemen entdecken wird und es hat ein Recht auf die Stolpersteine, über die ihr plumpsen werdet. Es hat ein Recht darauf zu erfahren, wie ihr euch danach gegenseitig beim Aufstehen helft und dass Stolpern nicht liegenbleiben bedeutet.
Dein Kind will nämlich nicht beschützt werden, nicht vor dir und nicht vor der Welt.
Dein Kind möchte bewahrt wissen, wer es ist und über die Stärke verfügen, die es durchs Leben trägt und es muss erfahren dürfen, dass das manchmal bedeutet, schwach zu sein.
Dein Kind möchte an dir wachsen und dazu braucht es deine Fehler und deine Bereitschaft sie zu machen und sie eben nicht zu vermeiden, damit du deinen Schuldgefühlen ausweichen kannst.
Dein Kind braucht dich komplett und in der Bereitschaft, dich deinen Schatten zu stellen und nicht in der fertigen und schattenfreien Version.
Dein Kind lernt an dir Entwicklung und Beziehung und Entwicklung von Beziehung.
Es lernt also was du nicht gelernt hast, weil du bereit bist, dich dem hinzugeben.
Dazu brauchst du nicht viel:
Versuch und Irrtum, ein bisschen Mut und viel Bereitschaft, dich zu hinterfragen.
Dich zu hinterfragen bedeutet nicht, dich als Elternteil in Frage zu stellen.
Es bedeutet, den Kreislauf zu durchbrechen, indem du dir erlaubst, „nur“ zu sein, wer du bist, während du dafür sorgst, an dir zu wachsen.
Du bist ganz und gar genug in deiner Unvollkommenheit.
Für dein Kind schon lange.
Bitte sei es auch für dich.
Du bist genug.
❤️
Break the cycle.
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