Traumatisiert Schule mein Kind?
Die Podcastfolge „Traumatisiert Schule mein Kind?“ kommt aus tiefstem Herzen (und ist deshalb Thema meines nächsten Buches, dessen Veröffentlichung für 2024 geplant ist). Der Titel ist reißerisch, der Inhalt eine Tragödie.
Die Beziehungsumstände, denen wir unsere Kinder 30-40 Stunden pro Woche aussetzen, sind derart ungesund und zugleich erdrückend „normal“, dass ich gar nicht weiß, wo ich zuerst hinzeigen soll
Unbedingt reinhören wenn du ein Schulkind hast, Teilen sehr erwünscht.
Du findest Psychotherapeutische Privatpraxis Ruland und unser Psychogeflüster für Cyclebreaker auf Spotify und YouTube.
Zum Thema passend, hänge ich einen unserer Beiträge aus 2020 dazu an:
Wenn ich so davon erzähle, wie es so abläuft für unsere Schüler, so wird dann ja gerne „Einzelfall“ gerufen und mir „Lehrerbashing“ unterstellt und ich weiß noch immer nicht, wie differenziert ich meine Worte noch wählen soll, um eben nicht den Eindruck zu vermitteln, ich suchte nach einem Schuldigen.
Hier geht’s aber nie um Schuld sondern um Kausalität, denn nur wenn wir die Beziehung zwischen Ursache und Wirkung kennen, lässt sich die Herausforderung, die nachhaltige Folgen für unsere Kinder und unsere Gesellschaft hat, lösen.
Bedauerlicherweise handelt es sich nicht um Einzelfälle, wenn Kinder angeschrien, gedemütigt, bloßgestellt und bestraft werden, sondern um kindlichen Alltag in deutschen Schulen und jeder der etwas anderes behauptet, trennt eine ganze Generation von Kindern von einer Lösung, weil eben jede Veränderung erst einmal Bewusstsein für das Vorhandensein eines Problems benötigt.
Wir haben da ein Problem in unseren Schulen.
Es ist traurige Realität, dass Kinder Lehrpersonen ausgesetzt sind, die Respekt, Führungskompetenz und Selbstreflexion vermissen lassen, weil ihnen das Bewusstsein dafür fehlt, welche Auswirkungen ihre inneren Überzeugungen, die sie auf bestimmte Art handeln lassen, auf viele weitere Leben haben werden.
Ich bin der festen Überzeugung, dass dies nicht aus Gleichgültigkeit für andere und die verantwortungsvolle Tätigkeit heraus passiert, sondern aus Hilflosigkeit und Ohnmacht gegenüber Umständen im Außen, die so nicht zu erwarten waren und für die derjenige keine Handlungsstrategien besitzt.
An dieser Stelle wäre es zwar hilfreich für den Lehrenden, Führenden und für die Art der Beziehung zum Schüler Verantwortlichen, wenn er um die Zusammenhänge zwischen inneren Überzeugungen und Problemen im Außen oder die Notwendigkeit von Beziehung oder die Auswirkungen von Disziplinarmaßnahmen auf diese Beziehung wüsste. Es wäre also dienlich, innere Arbeit zu leisten, bevor eine Lehrkraft sich 25 Spiegeln im Klassenzimmer stellt- so ist’s aber selten.
Kinder haben nicht nur ein Recht auf Bildung.
Kinder haben ein Recht auf Beziehung.
Sie haben ein Recht darauf, nicht angeschrien, bloßgestellt oder bestraft und damit erniedrigt zu werden.
Sie haben ein Recht darauf, ernst genommen, nicht ausgegrenzt, sondern unterstützt zu werden.
Sie haben ein Recht auf Gleichwürdigkeit und auf ein Nein.
Ein Nein zu Grenzverletzungen, emotionaler Gewalt und Machtspielchen.
Kinder haben ein Recht auf Individualität UND Zugehörigkeit.
Sie haben sogar ein Recht darauf, sich nicht mit Zuschreibungen des Systems zu identifizieren, in diesem Fall mit Noten.
Dein Kind hat ein Recht auf Beziehung und es muss sich gar nicht zwischen Bildung und Beziehung entscheiden- wieso lassen wir das zu?
Das Gegenteil ist der Fall- Bildung gelingt viel besser in Beziehung.
In der Lehrerschaft herrscht genau so viel Unbewusstheit darüber, wie gute Beziehung zu gestalten ist, damit Führung gelingen kann, wie unter Eltern und anderen pädagogischen Gruppierungen ebenfalls.
Das liegt daran, dass wir gerne den kürzesten Weg zu einem Ziel nehmen und wenn es das kollektive Ziel ist, stressfrei Unterricht gestalten zu können, den Lehrplan durchzuziehen und die eigene Ohnmacht im Rahmen zu halten und das dann auch noch „in die Gesellschaft integrieren“ genannt wird, dann führt dieser Weg nun mal über völlig überholte Maßnahmen, die langfristig massive Auswirkungen auf das Kind und unsere Gesellschaft haben werden , weil so zwar folgsame Kinder ins Leben schicken, die wissen was erwartet wird und die sich dann möglicherweise vorm Bundestag beim „Freiheit“ rufen heiser schreien, die aber ganz sicher nicht mehr über die Kompetenzen verfügen, die komplexen Probleme unserer Zeit zu lösen, weil ihnen die Voraussetzungen hierfür längst abtrainiert wurden.
Dann ist Schule in dieser Form ein Fossil, ein Relikt der Industrialisierung, das notwendigerweise Befehlsempfänger hervorbringen sollte und keinesfalls freie Geister.
Wann wollen wir also mal anfangen über die Probleme in Schulen zu sprechen, anstatt über Problemschulen in Problembezirken mit Problemkindern?
Wann wollen wir denn mal darüber sprechen, dass Schule als Institution darüber entscheidet, wie unsere Gesellschaft sich entwickelt?
Wann wollen wir darüber sprechen, dass Inklusion nur gelingen kann, wenn es uns gelingt, jedes Kind zu inkludieren, sogar die unbequemen, indem wir seine Stirn stempelfrei halten?
Wann wollen wir darüber sprechen, dass eine Klasse als Gemeinschaft davon profitiert, dass sie weiß, wie Denken und Fühlen zusammenhängen und dieses Wissen anwendbar wird, indem der Erwachsene es lebt und lehrt?
Wann wollen wir darüber sprechen, dass Kinderrechte und deren Ausweitung im Gesetzbuch nur Dekoration sind, wenn diese Rechte tagtäglich mit Füßen getreten werden?
Wann wollen wir darüber sprechen, dass wir größere Probleme haben als einheitlichen Leistungsstandard, Digitalisierung in Schulen oder PISA und dass sich daran so lange nichts ändert, bis wir das Problem an der Wurzel packen und qualifizierte Lehrer ausbilden, die über Bewusstsein , Strategien und Mittel verfügen, ihren Berufsalltag überhaupt in aller Komplexität ausüben zu können und dieser immensen Verantwortung gerecht zu werden?
Wann sprechen wir darüber, dass wir alle das Selbe möchten für unsere Kinder und diese Gesellschaft und wie das gelingend umzusetzen ist?
Ob’s schmeckt oder nicht: mit dem Recht des Kindes erwächst im Erwachsenen die Pflicht, den Rahmen zu schaffen, in dem diese Rechte Entfaltung erfahren.
Das ist meistens unbequem und so höre ich an dieser Stelle immer wieder wie übel das alles ist und wie sehr das Kind leidet und „ich kann das ja nicht ändern.“
Wer bitte kann das denn ändern, wenn nicht du?
Wer außer den Menschen innerhalb eines Systems verändert denn ein System oder vertritt dessen Werte?
Wer soll des Weges kommen und sagen, „so, ab heute nehmen wir mal dieses Übermaß an Leistung heraus, verändern die Art zu lehren und streichen aus den Köpfen den tief verankerten Wunsch nach Bewertung und Vergleichbarkeit, weil dem ja nur Angst zu Grunde liegt und streuen stattdessen ordentliche Prisen Gleichwürdigkeit und Selbstreflexion in alle Köpfe?“
Beim Warten auf Veränderung von „oben“ setzt du nicht nur Efeu an, du gibst auch all deine Macht ab, deine Selbstwirksamkeit und vor allem deine Verantwortung.
Dein Kind verpasst derweil die Chance darauf, ein Lernumfeld als Welt zu erfahren, in dem es in seiner Persönlichkeit erwünscht ist. In der es Gleichwertigkeit, Beziehungskompetenz und den Raum für angstfreie Weiterentwicklung erfährt.
Unsere Kinder verpassen derweil, sich von dem Druck und von der Hörigkeit zu befreien, die uns schon so lange begleitet, dass wir sie entweder nicht bemerken oder sogar für notwendig halten um in dieser Welt zu bestehen.
Die Welt deines Kindes wird aber eine andere sein als deine und es ist deine Aufgabe, es so zu begleiten, dass es in der bestehenden Welt zurecht kommt, und gleichzeitig die Kompetenzen erlangt, die es in der Welt von morgen benötigen wird.
Kinder haben das alleinige Recht darauf, darüber zu entscheiden, welche Lebensbedingungen, denen wir sie aussetzen, ihnen tatsächlich entsprechen.
Dein Kind kann dieses Recht nicht wahrnehmen.
Dazu braucht es dich.
Wer ist dein Kind, wenn es nicht passen muss?
Schaff ihm den Raum, den es benötigt, um ihn irgendwann für sich selbst zu halten.
Bleib in Beziehung.
Fordere sie ein, wieder und wieder.
Du darfst das.
Du darfst für dein Kind sogar all das, was du für dich nicht durftest.
Dazu musst du nicht gegen etwas kämpfen.
Du musst nur nicht mitmachen.
Beziehungsstarke Kinder schaffen starke Beziehungen.
Beziehung zu sich und anderen ist die Basis fürs Leben deines Kindes. Sein Hafen, sein Akku, sein Woher und Wohin und die Basis einer jeden Gesellschaft.
Dein Kind hat ein Recht auf Beziehung.
Greif zu.
Break the cycle.