Wenn du nicht du bist, ist es niemand
Ich weiß ja nicht wie es dir geht, aber ich merke oft, dass ich Menschen zu viel bin. Dazu muss ich nicht mal mit ihnen sprechen, die merken einfach so, dass ich da bin und ihnen das nicht gefällt und es kompliziert werden könnte, wenn wir das Reden auch nur anfangen würden. Ich mach das wirklich nicht aus Prinzip, Word , ich mach eigentlich gar nix.
Höchstens mal ganz freundlich nachfragen und mit der größtmöglichen Mühe, nicht aufzufallen. Eine Bankangestellte meinte mal zu mir „Ich sehe schon, Sie stellen alles in Frage“ bevor sie völlig entnervt loszog, um mit ihrem Vorgesetzten wiederzukommen.
Ich habe wirklich nur nachgefragt.
Ein paar Mal.
Weil mir die Antwort wirklich nicht einleuchtete.
Kann man doch mal verstehen wollen?
Ich erinnere mich, dass schon meine Mutter an meinem „Warum“ verzweifelt ist und dann hatte ich mit meinen Kindern selbst so eine harte Kritikerfront zu Hause.
Eine Warum-Fraktion.
Kennst du, oder?
In meinem Haus wohnte eine dreiköpfige Mauer und manchmal versammelt sie sich auch heute noch zu Hause.
Da wird noch immer beobachtet, hinterfragt und diskutiert.
Ich liebe das „Warum“ meiner Kinder und aller Kinder, die Regeln nicht nur als etwas Ordnendes, Haltendes und Klärendes begreifen und akzeptieren können, sondern auch als Chance zur Verbesserung von Werten, die allen dienen.
Das muss sich das Gegenüber ja auch erstmal leisten können.
Und nein, das bedeutet eben nicht, grundsätzlich immer und alles und an jedem Ort anzuzweifeln, weil Auseinandersetzung so lustig oder Kampf so gewünscht ist oder weil das Geltungsbedürfnis zu groß gewachsen ist.
Im Gegenteil.
Es bedeutet Respekt, Aufmerksamkeit und Achtsamkeit gegenüber sich selbst und der eigenen Haltung und es erfordert gleichzeitig die Bereitschaft, sich auf die Welt des Gegenübers einzulassen.
Nähe zum anderen erfordert nämlich Nähe zu sich selbst. Oder andersrum: du kannst den anderen in seiner Welt mit seiner Wahrheit, als Folge seiner ureigenen Wahrnehmung, nur erkennen, wenn du weißt, wie sich deine eigene Wahrheit anfühlt weil du den Platz in dir eingenommen hast, dir deiner eigenen Bedürfnisse und Grenzen bewusst und nicht bereit bist, deine Haltung zu opfern, damit dein Gegenüber dich ein bisschen lieber mag.
Wir alle quälen uns doch täglich mit Überzeugungen und inneren Modellen ab, die uns gar nicht gehören, sondern die irgendwer irgendwann mal als innere Wahrheit zur “Wahrheit“ gemacht hat.
Tatsächlich gibt es aber gar nicht so viele absolute Wahrheiten
Sehr viel häufiger wird uns subjektive, ganz relative Wahrheit als absolute Wahrheit, als DIE Wahrheit verkauft, die dann für alle gelten soll.
Ehe du dich versiehst, übernimmst du diesen Quatsch und ehe sich der Deckel über dir schließt, hast du sie nicht mal hinterfragt, sondern sie gelebt.
Dein ganzes, wertvolles Leben lang.
Diese Überzeugungen, die deine Welt formen und die dir vielleicht niemals gehörten.
Zum Beispiel, dass die Welt so ist wie sie nun mal ist und du daran ja auch nichts verändern kannst.
Warum?
Wer außer dir sollte die Welt denn verändern können? Jemand der klüger, schöner und fähiger ist als du?
Bullshit!
Steve Jobs sagte dazu übrigens „Alles um dich herum wurde von Menschen geschaffen, die nicht klüger waren als du.“ und damit meint er nicht nur die materiellen Dinge um dich herum, sondern vor allem die Überzeugungen dahinter, die das schufen.
Oder dass das Leben eben aus Müssen besteht und wir Pflichten nun mal erledigen müssen.
Warum?
Warum können wir nicht tun, was wir mögen und mögen, was wir müssen?
Oder dass das Leben kein Ponyhof aber Erfolg harte Arbeit ist und die Faust in der Tasche gelernt sein muss.
Oder dass das so ist, weil es so ist oder weil Hans nimmer lernt, was Hänschen verpasst hat oder weil Zweckpessimismus vor Enttäuschungen schützt oder weil vor dem Vergnügen immer noch die Arbeit kommt?
Oder dass deine Freiheit darin besteht, dagegen zu sein, was dich völlig unfrei zurücklässt?
Warum, warum, warum??
Warum machen wir uns nicht die Mühe, groß zu denken und unsere Kinder zu lehren, wie Denken funktioniert und was damit möglich ist?
Wieso glauben wir nicht daran, dass sie es sind, die diese Welt gestalten und statten sie so aus, dass ihr Kopf lernt, das zu nutzen, anstatt zu bremsen, zu warnen und zu vermeiden?
Warum fällt es uns so ungemein schwer, die eigenen Begrenzungen im Kopf zu sprengen?
Warum haben wir alle so unfassbar riesige Angst vor der eigenen Größe und verstecken uns lieber in Ohnmacht und Hilflosigkeit?
Ich sag’s dir.
Weil wir gelernt haben, abhängig und angewiesen zu sein, auf Bindung und Anerkennung und das Erfüllen all der Bedingungen, die daran hängen und weil die eigene Größe das massiv gefährden würde und rein biologisch, Zugehörigkeit das Überleben sichert. Zumindest solange wir im Außen auf Menschen treffen, die ihre eigene Einzigartigkeit und das Wundervolle in sich noch nicht entdeckt haben.
Die mögen dich klein.
Und ein bisschen mehr angepasst.
Und du fühlst dich sicher.
Und weil dieses System sich nur erhalten kann, wenn sich ausreichend Menschen nicht ausreichend fühlen, damit sie sich dann so anzustrengen, auszureichen, bis…
Ja, bis was denn?
Bis es irgendwie reicht?
Bis der Burn-Out anklopft?
Bis der Sinn des Ganzen (nicht mehr) hinterfragt wird?
Oder bis du das Gefühl hast, endlich genug zu sein, weil du genug tust?
Solange wir also die „Noch-Richtigen“ als die „Falschen“ ablehnen, die Fühlenden, die Aufsteher, Nein-Sager, die Eckigen, die Nicht-Stillsitzer und Lebendigen, die Mitfühlenden und sich-in-ihrer-Schwäche-Zeigenden, die Fordernden, die zu-laut-oder-zu-leise-Kinder, die Langsamstarter, Vorprescher und die Traurigen, solange wir die „Falschen“ zu den „Richtigen“ erklären, solange wir in der Reihe stehen, mitschwimmen, Leistung zum Leitwert machen, Egoismus tolerieren, Ellenbogen fördern, Probleme nur „auf Sicht“ lösen und nicht aufgrund ethischer Überzeugungen, solange wir Gefühlsamputation zur Normalität erklären und unsere Kinder hinein quetschen, damit sie nicht über die Linien malen, solange werden diese erwachsenen Kinder danach suchen, wer sie mal waren.
„Realismus ist die sozial akzeptierte Form des Pessimismus“ (leider hab ich vergessen, wer das gesagt hat)
Ist es das, was du deinem Kind mit in den Rucksack packen wolltest? Sich in den Grenzen des eigenen Bewusstseins zu bewegen und das realistisch zu nennen?
Oder hat er sich doch irgendwo versteckt, der Wunsch für dein Kind, Fußabdrücke zu hinterlassen?
Wo ist deine Sehnsucht für dein Kind nach Menschlichkeit, Verantwortung, Liebe und all den unpopulären Werten, abseits der Leistung?
Hältst du es aus, mit deinen Regeln und Werten in Frage gestellt zu werden?
Möchtest du dazulernen oder bist du schon fertig?
Deine innere Freiheit entscheidet über deine Lebensqualität.
Einfach so.
Mach dich frei.
Mach dich groß.
Nach Wellen.
Sei anderen zu viel.
Mal über die Linien.
Wenn du nicht du bist, ist es niemand.
Break the cycle.