Weil Liebe frei lässt…
Gestern hat mein Sohn seinen Ranzen aufgeräumt.
Weil ich das wollte.
;))
All die losen Zettel, das reingestopfte Papier, die einsamen Blätter. Nach und nach kam zum Vorschein, was einige Wochen lang wahl- und lieblos hinein gestopft wurde und in der Tiefe des stinkenden Ranzens für immer in Vergessenheit geraten wäre, hätte ich nicht kürzlich, beim Spülmaschine einräumen, nach einer am Morgen bestückten Brotdose gesucht, die nun noch in mein Tetrisspiel mit der Maschine passen könnte.
Und die Brotdose fand ich auch. Und ein paar andere.
Und noch irgendetwas, das sich klebrig anfühlte, ich aber nicht mehr identifizieren konnte.
Da war dann mal wieder klar, dass es Zeit wäre für eine Entmüllungsaktion seines Tornisters , verbunden mit der Ablage von Material von zwei Monaten für Deutsch, Mathe & Co.
Es gab einfach keinen Platz mehr für weitere lose Zettelwirtschaft.
Also bat ich ihn das Ding aufzuräumen und das mit dem Papier zu erledigen.
Hat er gemacht. Sieht jetzt wieder hübsch aus für die nächsten 4 Wochen. Er hats auch ohne Maulerei erledigt. Allerdings auch ohne jede andere Form emotionaler Beteiligung, ein bisschen so wie Hände Waschen. Macht man halt. Hinterfragt man nicht. Findet man weder gut noch schlecht. Ist einfach so – wen juckt’s.
Ihn jedenfalls nicht und wenn’s ihn nicht juckt, dann juckts mich auch nicht.
Seine fehlende Organisation kümmert mich nicht, weil sie ihn auch nicht kümmert. Wo wäre also der Sinn, dass mir etwas wichtig ist, was ihm vollkommen gleichgültig ist?
Er weiß ja dass Lehrer das besser finden würden und sich daran erinnern, wenn sie über ihrem Notenbüchlein schwitzen.
Er weiss ja, dass Suchen manchmal nervtötend ist.
Er weiß, dass etwas verloren gehen kann, was beim nächsten Test relevant sein könnte.
Weiß er alles.
Entscheidet er dennoch immer wieder so.
Wer bin ich also, ihn davon zu überzeugen, dass er etwas wollen soll, was ihm vollkommen egal ist?
Was ist die Logik?
Ich weiß besser, was für ihn richtig ist?
Meine Entscheidungen sind wertvoller als seine?
Ich sehe mehr als er und bin vorausschauender?
Und selbst wenn das so wäre- wo beginnt die Grenze deines Kindes, wann ist das ganze Wollen für dein Kind noch verhältnismäßig und wie sollten Eltern das im Kind umsetzen, ohne dabei kindliche Grenzen zu missachten?
Wie bringst du deinem Partner bei, dir Kaffeetasse IN die Spülmaschine zu räumen?
(Gar nicht, genau 😛)
Ins Gehirn pusten?
Im 724. Gespräch darüber, das sich nicht wesentlich von den 723 davor unterscheidet?
Durch Strafe und Druck so einwirken, dass elterliche Werte leichter zu schlucken sind ? (Diese Option fällt in deiner Partnerschaft hoffentlich aus 😎)
Und wozu?
Dafür, dass auf dem nächsten Zeugnis „ordentlich“ steht oder dafür, dass das Ganze in die Deutschnote einfließt oder dafür, dass ein ordentliches Kind ein bisschen richtiger ist als ein verpeiltes und unordentliches?
Weil richtigere kleine Menschen glücklichere große Menschen werden?
Ich glaub nicht
😀
Oder vielleicht doch dafür, dass du dich nicht mehr ohnmächtig und ungesehen fühlen musst? Dafür, dass deine Wünsche zählen und du wichtig bist?
Nein, dein Kind ist dir nicht egal, wenn du diesen aussichtslosen Kampf nicht kämpfst. Das Gegenteil ist der Fall. Weil mein Kind mir wichtig ist, hänge ich weder seinen Wert, noch unsere Beziehung, noch mein Bedürfnis nach Wertschätzung an seine Fähigkeit zur Ordnung.
Und nein, auch nicht sein weiteres Leben und was aus ihm wird sind mir egal, weil da kein kausaler Zusammenhang besteht. Der besteht nur in der Angst, dass ein Zusammenhang bestehen könnte. Die Furcht selbst begründet aber keine Kausalität oder? Tatsächlich sind wir als Eltern nicht in der Verantwortung für die Ergebnisse, die unser Kind abliefert. Wir sind in der Verantwortung, die allerbesten Voraussetzungen für diese Ergebnisse zu schaffen.
Über das Ergebnis entscheidest nicht du, sondern dein Kind und das gilt für Heftführung ebenso, wie für den ganzen Rest seines Lebens und all die Entscheidungen, die es da noch ohne dich treffen wird.
Ich weiß also nicht, ob mein Sohn das jemals können wird mit der Ordnung und der Struktur, aber ich weiß, er weiß, dass wenn er es lernen will, ich da stehe und warte, um ihn zu helfen.
Wenn er das will. Es ist nicht meine Aufgabe, des für ihn zu wollen, zumindest dann nicht, wenn ich ihn in seiner Person achte und seine Grenzen respektieren möchte. Es ist aber auch ganz einfach naturgemäß unmöglich.
Ich kann ihm vorleben, dass Struktur und Ordnung Eigenschaften sind, die ihm nutzen können (zugegeben, meine persönlichen Fähigkeiten sind da ehrlicherweise begrenzt 😀) und dass der Nutzen weit größer ist, als nur den Unmut eines Lehrers abzuwenden, aber ob er für sich entscheidet, das zu einer wichtigen Eigenschaft zu machen, kann niemand außer er selbst und ich verstehe es nicht als meine Aufgabe, seine Entscheidungen und Fähigkeiten anzuzweifeln, damit ich mich komfortabler fühle. Das mach ich nicht. Das darf er auch nicht, weil das niemand darf.
Du hast also die besten Wünsche für dein Kind und wünschst dir ganz sicher, es würde den ein oder anderen Sinn deiner Wünsche für es erkennen, verstehen, annehmen und vielleicht sogar umsetzen. Dein Kind zeigt dir, wo deine Fähigkeit, es zu erreichen, aufhört: vor seiner Stirn.
Du kannst nicht kontrollieren, ob es deine Wünsche haben will.
Du kannst nicht steuern, was es annimmt und was es liegenlässt- zumindest nicht ohne Anwendung von Strafen oder Gehorsam oder ohne die Beziehung zu verraten. Damit würdest du diese Lücke natürlich überbrücken und in ihm umsetzen was du dir für es (und dich!) wünschst.
Ob dieses Mittel den Zweck rechtfertigt und du diese Art von „Beziehung“ führen möchtest, entscheidest du selbst.
Sich von Kontrolle zu verabschieden ist nicht immer leicht, aber es wird leichter, wenn du das Mittel nutzt, das du zur Verfügung hast:
Einfluss.
Einfluss ist nicht Kontrolle deines Kindes. Einfluss ist Vorbild, Auswahl, Möglichkeit.
Und damit wird Einfluss zu deiner Freiheit, zu wählen, welche Auswahl du deinem Kind präsentierst, weil dein Kind nämlich immer nur von dir lernt, was du schon lebst.
Das Gute und das nicht so Gute.
Also mach’s euch nicht so schwer.
Übernimm Verantwortung für die Angelegenheiten, die du tatsächlich steuern kannst.
Die sind sehr nah bei dir.
Und ehe du dich versiehst, hast du dann für dein Kind die inneren Voraussetzungen geschaffen, die es braucht, um das Leben zu führen, das ihm entspricht – obwohl du gar nicht in seinen Angelegenheiten unterwegs warst.
Weil du dir für dein Kind alles wünschen, aber nichts kontrollieren kannst und du klug genug bist, den Umweg über dich selbst zu machen.
Weil Kinder nicht daraus lernen, was wir sagen, sondern daraus, wer wir sind.
Weil du ihm mitgegeben hast, wie es funktioniert, für sich selbst, die eigenen Gedanken, Gefühle und Handlungen verantwortlich und damit eigenmächtig zu sein.
Weil das eigene Leben nur gestalten kann, wem nicht die elterlichen Ängste aufgeladen werden.
Weil dein Einfluss, dein Leben auf deine Art zu führen, die einzig echte Möglichkeit ist, das Leben deines Kindes zu berühren.
Weil Kontrolle Angst ist und Liebe frei lässt.
❤️
Break the cycle.
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